2004 – Nr. 34

2004 – Nr. 34

 

Inhalt 2004, Nr. 34

Frühjahr 2004


Internationaler Akkordeonwettbewerb 2004
Das Rahmenprogramm

Kleine Dinge ganz groß
Raupen eines Falters

Kurz notiert
Vortrag mit Thorald Meisel
Ausstellung von Karel Vedral
Klingenthaler Wanderung

Talsperre Muldenberg
Problematik der Lage am Rande der Erdbebenzone des vogtländisch-nordwestböhmischen Schwarmbebengebietes

Julius Berthold
Ein verdienstvoller Klingenthaler Erfinder

Harmonikabau – Die Geschichte der Firma Robert Thoß

Erich Schuster
Ein Brunndöbraer Heimatfreund

Aus Wald und Flur
Wie vogtländische Hirsche in den Schwarzwald kamen

50 Jahre Kulturbote im Musikwinkel
Jubiläum einer lokalen Schriftenreihe

Unsere Stimme – was ist das?

Tierpark Spendenaktion

Freizeit-Tipps, Programm-Tipps

 
Julius Berthold
© Collage Th. Lenk

Julius Berthold

Ein verdienstvoller Klingenthaler Erfinder

Nicht weniger als vierzehn Seiten verwendete der Klingenthaler Chronist Arthur Müller in seinem 1897 erschienenen Buch zur Klingenthaler Ortsgeschichte auf die Würdigung der Persönlichkeit und der Tätigkeit von Ernst Julius Berthold. Müller hob bereits zu Lebzeiten Bertholds dessen Verdienst um die Musikinstrumentenindustrie hervor, die sich dieser in unermüdlichem Fleiß mit schöpferischem Erfindergeist um die Mechanisierung des Baues von Musikinstrumenten und ähnlichen Erzeugnissen erwarb. Man muß dem Geschichtsschreiber auch aus heutiger Sicht rechtgeben, wenn er damals schrieb: »Bertholds Maschinen haben die Instrumentenfabrikation nicht nur in unserer Gegend, sondern in der ganzen Welt mit einem neuen Gepräge versehen.«

Sogar die historischen Konkurrenten in Trossingen sehen das in neuerer Zeit so. Der »Schwarzwälder Landbote« schrieb am 1.9.1989 dazu: »Die Phase der industriellen Massenproduktion von Harmonikas setzte in Klingenthal früher ein als anderswo, denn der Maschinenbauer Julius Berthold entwickelte dort bereits 1878 die durch Dampfkraft angetriebene Stimmzungenfräsmaschine, mit der Jahre später auch die Trossinger Fabrikation und die aller anderen Zentren des Harmonikabaus angekurbelt wurde.«

Der am 18. Februar 1845 in der Lausitz geborene Maschinenbauer Ernst Julius Berthold kam im Jahre 1868 im Alter von 21 Jahren nur auf Bitten eines Arbeitskameraden, ohne große Begeisterung und ohne die Absicht, bleiben zu wollen, aus Chemnitz nach Klingenthal. Er verweilte hier nur, weil er es seinem Kameraden versprochen hatte. Durch die Verheiratung mit der Tochter eines Zwotaer Harmonikafabrikanten aber wurde er dann endgültig in Klingenthal seßhaft.

Seinem Ideenreichtum und seinem »Fleiß, den keine Mühe bleichet«, ist es zu verdanken, daß Berthold bald als Schlosser und Maschinenbauer im Ort großes Ansehen erlangte und sich selbständig machen konnte. Bei seinem Schwiegervater hatte er einen tiefen Einblick in die Details der Harmonikafertigung nemen können, und er befaßte sich nun voller Sachkenntnis und intelligentem Schöpfergeist mit der Herstellung von Spezialwerkzeugen und Spezialmaschinen für die einzelnen Fertigungsvorgänge des Harmonikabaues und auch anderer Bereiche. Bisher übliche Pressen und Stanzen wurden von ihm erheblich verändert und verbessert, und neue Antriebsmöglichkeiten wurden von ihm erdacht und genutzt. Er entwickelte auch neue Arten von Falzformen und Scheren, und bald wurde sein Handwerksbetrieb zu einer ansehnlichen und angesehenen Maschinenfabrik. Am 17. August 1878 wurde in der »Leiterd’schen Fabrik in der Falkensteiner Straße die erste Stimmzungenfräsmaschine aus der Berthold’schen Produktion in Betrieb gesetzt«, zunächst von Wasserkraft, später von Dampfkraft betrieben.

Im Jahre 1880 wurde in der Talstraße das Fabrikgebäude der Firma Berthold und Co. errichtet, das in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts von der Klingenthaler Schnittwerkzeugeund Metallwarenfabrik genutzt wurde und heute leider als verfallende Industriebrache nur noch abrißreif ist. In diesem Betriebsgebäude wurden die Werkzeuge und Maschinen gefertigt, die nun von der Berthold’schen Fabrik aus ihren Weg nach Trossingen, Gera, Altenburg, Nürnberg, aber auch nach Graslitz, nach Österreich, nach Rußland und in die Schweiz nahmen. Die Klingenthaler Maschinenfabrik Berthold und Co. hatte in der Branche weithin einen guten Ruf als Hersteller und als Konstrukteur von Spezialmaschinen. Auch die Bürstenfertigung im benachbarten Schönheide nahm dank Berthold’scher Maschinen und Werkzeuge einen beachtlichen Aufschwung. Eine Besonderheit waren die Berthold’schen »Notenstanzmaschinen«, die die technischen Grundlagen für die Ende des 19. Jahrhunderts und in den Jahren darauf beliebten Orchestrions, elektrischen Klaviere und Spieldosen lieferten. Auch in der gesamten Spielwarenindustrie waren Spezialmaschinen aus Klingenthal bekannt und beliebt.

Im Jahre 1902 wurde die Fabrik in der Talstraße von dem Ingenieur William Thau übernommen, der die Berthold’schen Erfindungen weiterentwickeln und weiter produzieren ließ. Die Rolle Julius Bertholds und seiner Fabrik reicht in ihrer Bedeutung als Förderer der industriellen Entwicklung über den Bereich der Klingenthaler Musikinstrumentenindustrie weit hinaus.

Im Jahre 1927 wurde vom Klingenthaler Stadtrat zu Ehren des verdienstvollen Unternehmers »für den 11. August, abends 7 Uhr, zu einer kurzen Feier herzlich eingeladen«. Auf der »Alberthöhe«, im Gelände des jetzigen Tierparkes, war nämlich ein Gedenkstein aufgestellt worden, der nunmehr im Beisein Bertholds feierlich der Öffentlichkeit übergeben werden sollte. Das Gelände des jetzigen Tierparkes auf dem Amtsberg war von Julius Berthold der Stadt Klingenthal zur Anlegung einer gemeinnützigen Anlage übereignet worden. Der Gedenkstein sollte ein Dank dafür sein und zugleich die wirtschaftlichen und technischen Verdienste des Stifters würdigen. Die Anregung dazu war übrigens von Oberlehrer Erwin Beck gekommen und wurde vom damaligen Bürgermeister Dr. Hugo Zimmermann und dem gesamten Stadtrat gern aufgegriffen. Für das Denkmal wurde ein Findling ausgewählt, der »von dem Herrn Steinbrecher Emil Brunner, Obersachsenberg Nr. 13 B, gebrochen wurde, welcher für seine Bemühungen dreißig Reichsmark verlangte«. Dem Stein wurde damals folgende Inschrift gegeben: »Dem hochherzigen Spender vieler herrlicher Anlagen, Herrn Julius Berthold, widmet diesen Stein in Verehrung die dankbare Stadt Klingenthal am 11. August 1927.« In einem Brief bedankte sich Berthold beim Stadtrat »für die ihm unvergeßliche Ehrung durch die Errichtung eines Gedenksteins, der meinen Namen in schöner Widmung trägt«.

Der Stein mußte wegen Bauarbeiten im Tierpark längere Zeit von seinem Platz entfernt werden, wurde aber inzwischen wieder aufgestellt. Auch im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100jährigen Bestehen des Sächsischen Harmonikabaues wurde der damals 84 Jahre alte Berthold in den Reden und Ansprachen mehrmals ehrend erwähnt.

Es mag gewiß ein Zufall sein, daß sich die Grabstätte des am 26. Januar 1934 in Klingenthal verstorbenen Ernst Julius Berthold auf dem Klingenthaler Friedhof nur wenige Schritte entfernt von der weithin sichtbaren »Gliergruft« befindet, an der des Johann Friedrich Rudolf Glier gedacht wird, von dem dereinst im Jahre 1829 die Mundharmonika nach Klingenthal gebracht wurde. Durch diese Tat wurde das gesamte wirtschaftliche und soziale Gefüge Klingenthals für mehr als anderthalb Jahrhunderte geprägt. Vor allem durch Julius Bertholds Wirken aber entwickelte sich aus dem manufakturellen Harmonikabau eine florierende moderne Industrie, die der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der letzten Jahre allerdings nicht standhalten konnte.
Diese beiden Großen des Klingenthaler Musikstrumentenbaus – Glier und Berthold – verdienen die öffentliche Aufmerksamkeit, denn sie haben den Gang der Wirtschaftsgeschichte der klingenden Täler maßgeblich bestimmt.

Johannes Grimm, Klingenthal Magazin 34 (2004) > Geschichte
 

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ISSN 1437-336X
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