Die großen Gebäude Klingenthals
Markt mit ehem. ADCA, Postamt und Sparkasse
© Thomas Lenk

Die großen Gebäude Klingenthals

Splitter aus der Stadtgeschichte

Horst Meinel über Bemerkenswertes aus der Ortshistorie Klingenthals
(Artikel aus 2001, Heft 23)

Einige große Gebäude im Stadtgebiet von Klingenthal erinnern an »große Zeiten«: am Marktplatz das Postamt und die ehemalige ADCA (Allgemeine Deutsche Creditanstalt, Filiale Klingenthal – später zu DDRZeiten Staatsbank und nach der politischen Wende Deutsche Bank); auf dem Amtsberg das Amtsgericht und vor allem der riesige Bahnhof Klingenthal.
Amtsgericht und Bahnhof verfallen derzeit. Das Postamt wird nur noch als Niederlassung auf Abruf betrieben. Im ehemaligen »ADCA«Bankgebäude am Marktplatz haben junge Unternehmer einen Baumarkt eingerichtet.

Welchen Umständen verdankten diese Gebäude ihre Größe?
Klingenthal ist vergleichsweise zu den drei benachbarten Städten Schöneck, Markneukirchen und Graslitz (Böhmen) erst sehr spät gegründet worden.
Zum Gründungszeitpunkt von Klingenthal, im Jahre 1591, konnten diese drei Orte bereits auf mehr als 200 Jahre Stadtgeschichte verweisen. Sie erhielten alle drei das Stadtrecht bereits im Jahre 1370. Klingenthal mußte bis zum Jahre 1919 darauf warten. Somit ist Klingenthal nach Bad Elster (1935) und Rodewisch (1924) die drittjüngste Stadt im heutigen Vogtlandkreis.
Klingenthal war damals ein Ort im sogenannten »Vogtländischen Creis«, der bereits 1577 als einer von insgesamt sieben Kreisen Kursachsens gebildet wurde. Seit 1602 war Plauen die Hauptstadt dieses Vogtländischen Kreises (kurz: Vogtland) bis zum Jahre 1835. Dann wurde das Vogtland ohne Veränderung seiner Außengrenzen in die Amtshauptmannschaft (AH) Plauen umgewandelt und gehörte zur Kreisdirektion Zwickau. In der AH Plauen wurden 1855 dreizehn Gerichtsamtsbezirke geschaffen; einer davon war der von Klingenthal. Auch Markneukirchen und Schöneck waren Amtsgerichtsbezirke. Mit dem gewaltigen Aufschwung der wirtschaftlichen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhöhte sich zwingend der Verwaltungsaufwand.
So kam es dann 1874 im Königreich Sachsen zu einer Reorganisation der Behörden. Die damaligen Amtshauptmannschaften der Kreisdirektion Zwickau, die in eine Kreishauptmannschaft umgewandelt wurde, entwickelten sich von reinen Aufsichtsbehörden zu ordentlichen Verwaltungsbehörden. Sie mußten überschaubarer sein. Und so erhöhte sich ihre Anzahl von eins auf drei im Vogtland: neben Plauen wurden so auch Oelsnitz und Auerbach »Kreisstädte«.

Funktionsverlust
Die Gerichtsämter, wie z. B. in Klingenthal, verloren ihre administrativen Aufgaben – die nun vom Landkreis übernommen wurden – und beschränkten sich als Amtsgerichte (und Arbeitsgerichte) auf die Bewältigung der juristischen Angelegenheiten der Region.
1939 wurde die Struktur der Verwaltung aller deutschen Länder nach einheitlichem Recht gestaltet. Die »Dritte Verordnung über den Neuaufbau des Reiches« nach preußischem Vorbild sah vor, die Kreishauptmannschaften in Regierungsbezirke und die Amtshauptmannschaften, wie z. B. Auerbach, in Landkreise umzubenennen.
So wurde Klingenthal von einem Ort der Amtshauptmannschaft Auerbach zu einem solchen des Landkreises Auerbach. Das blieb Klingenthal bis zum Jahre 1952, als nach einer Verwaltungsreform in der damaligen DDR aus den fünf Ländern 14 Bezirke gemacht wurden.

Kreisstadt Klingenthal
Klingenthal wurde Kreisstadt im Bezirk Karl-Marx-Stadt. Seit der Neuorganisation der Verwaltung nach der politischen Wende 1989 ist Klingenthal dann schließlich ab dem 1. 1. 1996 eine Stadt im Vogtlandkreis, der die ehemaligen Kreise Auerbach, Klingenthal, Oelsnitz, PlauenLand und Reichenbach sowie die kreisfreie Stadt Plauen umfaßte.

Was Adreßbücher erzählen
Aufschlußreich informieren Adreßbücher über die jeweilige historische Situation zum Zeitpunkt ihres Erscheinens. Die vorletzte Ausgabe des Adreßbuches des östlichen Vogtlandes erschien im Juli 1939, also kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges. Die darauf folgende 4. Ausgabe dieses Adreßbuches, die im Dezember 1943 »mitten im Kriege« erschien und für die folgenden Jahre gelten sollte, verweist in ihrem Vorwort auf umfangreiche wichtige Änderungen, die seit 1939 eingetreten sind. Das betraf vor allem den Wandel in Industrie, Handel, Gewerbe und in der Verwaltung sowie die Bevölkerungsentwicklung. Aber auch in wirtschafspolitischer Hinsicht ergab sich eine neue Situation. »Nachdem durch den Anschluß des Sudetengaues die einst willkürlichen Grenzen beseitigt wurden, lebten in diesem ehemaligen Grenzgebiet die vielseitigen wirtschaftlichen Wechselbeziehungen, die von jeher zum Bruderland Böhmen bestanden, rasch wieder auf.«* Sollten sich solche Wechselbeziehungen in unserer heutigen Situation nicht mehr zum beiderseitigen Vorteil entwickeln und gestalten lassen? – Mit einem im Jahre 1929 für Klingenthal herausgegebenen »Adreßbuch für den Amtsgerichtsbezirk Klingenthal; Klingenthal, Brunndöbra, Sachsenberg (früher Gemeinden Untersachsenberg und Obersachsenberg), Georgenthal mit Steindöbra und Aschberg, Zwota, Oberzwota, Mühlleithen mit Winselburg« (Druck u. Verlag von G. Bergmann [Klingenthal]) lassen sich sowohl interessante Vergleiche zum Jahr 1943 als auch zu heute ziehen.
Leider weist das Adreßbuch für 1943 nur Handel, Gewerbe und Freie Berufe für die Städte des östlichen Vogtlandes aus, sodaß Vergleichszahlen nur für die Stadt Klingenthal vorliegen.
Anzahl der Beschäftigten im Amtsgericht am Amtsberg, im Bahnhof (Deutsche Reichsbahn) und im Postamt am Marktplatz in Klingenthal
Amtsgericht: Jahr 1929: 16, Jahr 1944: 15
Bahnhof: Jahr 1929: 106, Jahr 1944:109
Postamt: Jahr 1929: 69, Jahr 1944: 87
 
Aus heutiger Sicht erstaunt die hohe Anzahl der Bäckereien und Fleischereien, im Gebiet Klingenthal mit Brunndöbrba, Sachsenberg, Georgenthal, Zwota, Oberzwota und Mühlleithen befanden sich im Jahr 1929 50 Bäckereien/Konditoreien, 32 Fleischereien/Roßschlächter, 26 Lebensmittelgeschäfte, 19 Flaschenbierhandlungen, 16 Barbiere/Friseure und 50 Gast-/Schankwirtschaften. Doch die Mobilität der Bevölkerung war damals im wesentlichen auf die »eigenen Füße«, auf die Benutzung der Straßenbahn bzw. der Eisenbahn sowie des Kraftomnibusses beschränkt. Aber es war die Bäckerei allein nicht die einzige Beschäftigung der Bäcker. Nebenbei betrieb man z. T. noch eine Landwirtschaft oder war anderweitig beschäftigt.
Die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Post waren wegen der Struktur des Eisenbahnbetriebes bzw. wegen des Postvertriebsnetzes außerordentlich beschäftigungsintensiv. Vieles mußte noch »von Hand« erledigt werden.
So gehörten zum Bahnhof das Bahnhofspersonal selbst (Inspektoren, Sekretäre, Betriebswart, Rangiermeister sowie aufseher, Weichenwärter, Lademeister und Schaffner ...), das Lokomotivpersonal, Lokführer, Heizer und Zugbegleitpersonal (Zugführer und -schaffner ...).
Der Bahnhof Klingenthal war bis zum Ende des 2. Weltkrieges Durchgangsbahnhof. Vor allem Kohlezüge aus dem Sokolover (Falkenauer) Braunkohlenrevier wurden rangiert. Der Export der Klingenthaler Musikindustrie lief über den Bahnhof. 1929 arbeiteten im Bahnhof Klingenthal auch acht Beschäftigte des Zollamtes am Bahnhof, also insgesamt 114 Beschäftigte.
Das Deutsche Postamt Klingenthal unterhielt das Zweigpostamt Brunndöbra, die Postagenturen Obersachsenberg und Zwota und ferner die Posthilfsstelle in UntersachsenbergBerg und die Post und Telegraphenhilfsstellen ZwotaZechenbach und Oberzwota. – Vieles davon kann heute anders geregelt werden!

Klingenthal Magazin 23 (2001)
 

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ISSN 1437-336X
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