1995 – Nr. 1

1995 – Nr. 1

Anlässlich der Eröffnung des Musik- und Wintersportmuseums entstand die Idee, auch wieder eine Schriftenreihe für die Region herauszugeben. Damit wurde an die Tradition des früheren „Kulturboten für den Musikwinkel“ angeknüpft, der von 1954 bis 1980 erschien. Insgesamt 11 Hefte kamen unter dem Titel „Kulturbote“ von 1995 bis 1998 in den Handel.

Herausgegeben wurde die erste Ausgabe vom Kulturbund Ortsverein Klingenthal e.V. in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium Musik- und Wintersportmuseum Klingenthal e.V. und der Stadtverwaltung Klingenthal. Die Redaktion hatte Johannes Grimm.

Inhalt:

Die Rundkirche „Zum Friedefürsten“, Interessantes über das Klingenthaler Wahrzeichen

Das „Dr.-Giers-Haus“, Manfred Gäbler erzählt, wie das Haus, in das das Musik- und Wintersportmuseum einzieht, vor dem Abriss bewahrt wurde

Lukullisches auf dem Aschberg, Das historische Gasthaus „Schöne Aussicht“ entsteht auf dem Aschberg neu

Das Hotel „Brauner Hirsch“, Bewegte Zeiten liegen hinter dem Gebäude in der Schloßstraße

Von den Anfängen des Skisports, Über Erwin Beck und seine Pioniertat mit Folgen berichtet Joachim Glaß

Die 50. Musiktage und das 75. Schatzkästlein, Manfred Gäbler erinnert an zwei Jubiläen

Die Musikschule Klingenthal

Von der Privat- zur Berufsschule, Jahrzehnte hindurch war die Musikschule in Klingenthal ein Teil der Gewerbeschule. Das jetzige Berufsschulgebäude am Amtsberg wurde im Jahre 1912 vom Handelsschuldirektor Jahn als privat „Jahnsche Lehranstalt“ errichtet.

Zwota – Dorf und Fluss im oberen Vogtland, Eine kurze Besiedelungsgeschichte nach Kurt Ebert (Zwota)

Die Maschinenfabrik Julius Berthold & Co., Dr. Kurt Kauert berichtet über den begabten Konstrukteur Julius Berthold

Der Heimathistoriker Erich Wild, In seinen umfangreichen heimatgeschichtlichen Forschungen wies Erich Wild unter anderem nach, wann sich die ersten Geigenbauer im Vogtland ansiedelten

Der Naturfreund Friedrich Jäger, Der vielseitig interessierte Klingenthaler Friedrich Jäger kann als einer der rührigsten Natur- und Heimatfreunde des oberen Vogtlands bezeichnet werden. Sein Wirken übte nachhaltigen Einfluss auf vielen Gebieten der Geschichte, der Natur und der Landschaft unserer Heimat aus.

Vom „Alten Schloß“, Geschichtliches vom ehemaligen Wahrzeichen Klingenthals

Das Waldgut Untersachsenberg, Eine historische Betrachtung von Manfred Gäbler

Das 100jährige Jubiläum der „Konditorei Wagner“, Eine lange, bewegte Geschichte

Siedlungsgeschichte und Mundart, Vogtländische Bezeichnungen wie etwa „Kusseln“, „Hitsch“ oder „Latschen“ weisen uns den Weg zu den Erstbesiedlern des Vogtlands.

Die Kammacherei in Klingenthal, Der Kauf eines Holzkammes führte dereinst in Klingenthal zu der zeitweilig blühenden Kammacherei. Sie war ein Ausweg aus Schwierigkeiten anderer Gewerbe, besonders des Musikinstrumentenbaues.

Mundart
Musikwönkel, Max Schmerler
Kochte Knödle, Hans Wild
Wenn Mutter Waschfest hot, Hans Wild
Der Aschberg, Bruno Leonhardt
Gedanken bei Glatteis, Rudolf Poller
Zwotiger Bossn, Max Schmerler
Klingenthal, Werner Karnstedt (Adorf)
Mei Leibgericht, Rudolf Poller
Nikolaus, Maria Wagner

 

Der Naturfreund Friedrich Jaeger

Der Klingenthaler Lehrer, Natur- und Heimatfreund Friedrich Jaeger erwarb sich um Klingenthal und das ganze Vogtland große Verdienste. In Marktneukirchen am 22. Dezember 1892 als Sohn des Geigenbaumeisters Hans Jaeger geboren, besuchte Friedrich Jaeger die Volksschule und später das Lehrerseminar in Auerbach/Vogtl. Bei den Vorlesungen an der Technischen Hochschule in Dresden wurde er von den Vorträgen der Prof. Drude so für Biologie begeistert, dass er ihr sein Leben lang die Treue hielt. Im Jahre 1922 gehörte Jaeger zu den Gründern der Sektion Klingenthal des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins und war 1924 maßgeblich in den Zilltaler Alpen an der Wegemarkierung auf die 3. 147 m hohe Zillerplattenspitze von der Plauener Hütte aus beteiligt. 1929 begann seine Tätigkeit als Ortspilzberater und als Pflanzenkartierer für die Technische Hochschule Dresden und die Universität Berlin, ab 1945 auch noch für die Universität Halle. Er entdeckte im Westerzgebirge eine ganze Anzahl hier noch unbekannter Pflanzen, so z.B. Krause Kreuzkraut, das Sumpfläusekraut, die Haselwurz, das Rundblättrige Wintergrün, die Alpenweißzunge und den Schwarzroten Sitter. Schon 1933war Jaeger als Wegemeister für die Wegemarkierung und Wegebetreuung in unserer engeren Heimat verantwortlich. Er war auch am Entwurf des heute noch geltenden Klingentaler Stadtwappens maßgeblich beteiligt. Von 1952 bis zu seinem Tode war Friedrich Jaeger Kreisbeauftragter für Naturschutz und für Denkmalpflege sowie Kreispilzberater Längere Zeit war er auch Gebietswegemeister Erzgebirge-West. In dieser Eigenschaft wurde von ihm die Wiederherstellung des Unterkunftshauses auf dem Auersberg, der Zufahrtsstraße von der Sauschwemme aus und die Anlegung eines Parkplatzes unterhalb des Auerberggipfels betrieben. Im Jahre 1957 war es lediglich dem energischen Auftreten des Naturschutzbeauftragten Friedrich Jaeger zu danken, dass wenigstens der Restteil des Jägersgrüner Hochmoores dem Völligen Abbau entzogen und als Naturschutzgebiet in seiner Unberührtheit der Nachwelt erhalten blieb. Auch die Erklärung der Landesgemeinde bei Erlbach zum Landschaftsschutzgebiet im Jahre 1959 ist auf das Einwirken Friedrich Jaegers zurückzuführen.
In Einzelheiten die Öffentlichkeit mit dieser interessanten Klingenthaler Persönlichkeit und ihren Verdiensten für die Heimatstadt und deren Umgebung bekannt zu machen, wird auch in Zukunft eine Aufgabe der Klingenthaler Heimatforscher sein.

Kulturbote 1 (1995)
 

Das Waldgut Untersachsenberg

Den alten und älteren Klingenthalern noch bestens bekannt; das Untersachsenberger Waldgut*. War es doch ein vogtländisches Wirtshaus im besten sinn bis in die erste Maiwoche des Jahres 1957. Ein Wirtshaus mit einem Saal, einem umbauten Hof, denn es gehörte eine Landwirtschaft dazu. Vor einhundert Jahren hat man sogar noch selbst gebraut.
Umwoben ist das Gebäude von Sagen und Spukgeschichten wie kein anderes. Da gab es ein Zimmer, in welchem es zu nächtlicher Stunde spukte. Wer darin schlief, der kam nicht mehr lebend heraus. Man sah nachts einen ehemaligen Gutsbesitzer im roten Schlafrock, die Tabakspfeife im Mund, über den Hof gehen, um im Stall zu verschwinden. Auch von einem nächtlichen Tanz im Saal weiß man zu berichten. Es ging sehr schauerlich zu. Längst verstorbene Besitzer und das Gesinde vergnügten sich dabei.
Natürlich gab es auch eine weiße Frau. Sie soll zu ihren Lebzeiten gegen die Untertanen sehr hartherzig gewesen sein. Im Tod konnte sie keine Ruh finden und geisterte zuweilen in der Küche herum, bis man eines Tages über die Tür einen frommen Spruch schrieb. Letzteren, so erzählte mir einst eine alte Frau, habe man immer wieder erneuert. Sie selbst habe den Spruch noch lesen können. Das genaue Jahr der Erbauung des ersten Untersachsenberger Waldgutes ist nicht bekannt.
Auf alle Fälle begann es mit Untersachsenberg im Jahre 1625, also wenige Jahre nach Beginn des 30jährigen Krieges. Der Graslitzer Johann Wilhelm Boxberg, ein Bruder des Klingenthaler Hammerherrn, nahm Lehen in diesem Gebiet auf.
Ein Jahr später tat Matthäus Gnaspe, Besitzer des Ellenfelder Eisenhammers und Leiter des Messingwerkes Niederauerbach, gleiches. In einem Gesuch bitten beide, ihnen „ein Revier zur Unterhaltung unserer Bergarbeiter zur Greßlas und Erbauung etzlicher Häuserlein zu ihren Wohnungen am Quittenbach gegen einen Gewissen Erbzins zu räumen …“. Von Errichtung eines Herrenhauses ist bis dahin nicht die Rede. Beide Lehen sind im Jahre 1630 in der Hand Boxbergers vereinigt.
Die Kriegszeitenwaren hart. Boxberg (auch Boxberger) klagt „was ietzo schwebende Kriegs Zeiten Menniglich für unheill zugezogen, unndter welchen ich auch dermaßen getroffen worden, das Ichs wohl die Zeit meines Lebens nicht überwinden werde“.
Weiter erfahren wir, dass „die zum Greßlass logierenden Soldaten das futter weggeführet Und das Vieh abgenommen, … daß das Guth auf einem dürren Hübel liege und daß im Sommer Mangel an Wasser sei“.
Mit der Formulierung „das Gut“ braucht nicht ein Gebäude, sondern können die Ländereinen gemeint sein. Bis 1629 gibt es keinen Hinweis, dass das Gutsgebäude errichtet sei, denn dem ersten Besitzer von Untersachsenberg wird am 18. Mai 1629 ein Sohn, Christoph Carl, geboren, welcher aber in Graslitz zur Welt kommt. Also lebte die Familie zu dieser Zeit noch in Böhmen.
Pfarrer Spranger, der am 29. Januar 1700 dem erwähnten Christoph Carl eine Gedenkpredigt hält, berichtet, dass „wegen damahliger Kriegsflamme und unterschiedlicher Ausplünderungen“ die Eltern von Christoph Carl „anderswo ihre Sicherheit suchen müssen und endlich in ihrem neuerbauten Guth Unter-Sachsenberg gefunden“ hätten. Es ist also anzunehmen, dass das Gutshaus nach 1629 errichtet worden ist. Fest steht, dass 1646 der Witwe des Johann Wilhelm von Boxberg, der „Wohl Edlen Groß Ehr und Tugendreichen Frau Magdalena von Boxberg, eine geborene Semmlerin“ die Auspfarrung Untersachsenbergs von Schöneck und die Einpfarrung nach Klingenthal gelang. In der Genehmigung des Gesuchs wurde festgelegt, dass der Pfarrer von Klingenthal jährlich sechs mal Gottesdienst im Waldgut Untersachsenberg zu halten habe. Mehr Hinweise auf das Gutsgebäude gibt es nicht. Der erwähnte „Christoph Carl von Boxberg auf Unter-Sachsenberg, Erb- Lehn- und Geichts-Herr, auch Ihrer Hoch-Fürstl. Durchlaucht zu Sachsen Hochbetrautester Berg-Rath wie auch Höchst meritirter Berg-Hauptmann in Neustädtischen und Vogtländischen Kräyßen“, besaß das Gut 1661–1699. Er starb am 3. Juli 1699 und wurde „folgenden Mittwochs darauf in hiesiger Kirchen mit Christ-Adelichen Ceremonien in das Hoch- Adeliche Begräbnis eingesenket“.
Sein Nachfolger wurde der älteste Sohn, der Berghauptmann und Sächs. Koburgische Kammerjunker Erdmann Ernst von Boxberg.
1705 erwarb der Bruder des Genannten, Johann Wilhelm von Boxberg das Gut. Dieser verpachtete die Landwirtschaft, lebe aber in Untersachsenberg. So fungiert 1708 als Pächter „Christian Puschner, Pachter zum untern Saxenberg“.
Das Gut blieb in den Folgejahren im Besitzt der Familie von Boxberg. Nach dem Jahre 1754 kam es an Christian Sigismund von Boxberg, welcher „das jetzige Gut mit den meisten dazu gehörenden Gebäuden auf einem nicht weit von dem alten entfernten Platze erbaute“. Mit diesem Gebäude haben wir es zu tun, wenn wir heute vom Waldgut Untersachsenberg sprechen.
Christian Carl Sigismunds Tochter, die 1777 geborene Louise Christiana Augusta war die letzte Einzelbesitzerin des Gutes Untersachsenberg. Die im Jahre 1823 beginnende und im Jahre 1836 geschlossene Akte „Die Zerstückelung des Waldguthes wird dringend nötig, als bei dem gegenwärtigen Mangel an Verdienst die Einwohner der hiesigen Gegend sich nicht mehr zu ernähren im Stande sind; … Sowie aber der Bergbau und die Waldarbeit zur Beschäftigung so vieler Menschen schon lange nicht mehr ausreichend war, ebenso sind auch viele Menschen durch den Verfall des Handels mit Spitzen und musikalischen Instrumenten arbeits- und brotlos geworden… Ein besonderer Umstand ist noch der, dass die hiesigen Waldbewohner bei aller ihrer Armut vorzüglich reichlich mit Kindern gesegnet werden. Es ist gar nichts seltenes, daß ein Familienvater allhier mit 8 und noch mehr Kindern gesegnet ist, daher auch der hiesige Orth nach und nach bis zu 114 Häusern, von denen aber auch ein großer Teil nur Hütten sind, angewachsen ist.“ Weiter heißt es: „Das einzige Mittel, diesen hart bedrängten Menschen zu helfen… und sie wenigstens gegen die drückendsten Nahrungssogen sicher zu stellen ist, daß ihnen von hiesigen Waldguthe ein Distrikt öder Grund und Boden gegen einen gewissen Zins eingenthümlich eingeräumt und überlassen werde, den sie sich roden und zu Felde urbar machen und darauf wenigstens die notdürftigen Erdäpfel und etwas Hafer oder Hafer und Sommerkorn untereinander… erbauen können. Nur dadurch allein und durch das, auf diesen Grundstücken gehalten werden könnende Vieh kann die Subsistenz dieser armen Menschen in hiesiger Gegend für die Zukunft möglich gemacht werden.“
Nun hatten der erwähnte Christian Friedrich Meinel und Consorten schon lange Zeit vorher von den Boxbergen Lehen zu eigenem Nutzen erhalten. Sie stellten sich hartnäckig gegen die „Zerstückelung“ des Waldgutes, wohl wegen eigener Vorteile. So hatten sie Bedenken wegen ihrer Hutungsrechte, Wegerechte, -zweifellos mussten neue Verbindungswege und natürlich auch Wirtschaftswege angelegt werden -, Urbachmachung des Waldbodens und dergleichen.
Ja, Meinel hatte sogar im Sinn den Gutsbesitz insgesamt zu erwerben. Nach einer Notiz hatte er Frau von Feilitzsch 14.000,– Thlr. geboten. Doch sie ließ sich ihrem Vorhaben nicht beirren. Die Beschwerde Meinel wurde seitens der Königl. Sächs. Regierung in Dresden abgewiesen. Frau von Feilitzsch erhielt dagegen die Erlaubnis zum Verkauf, allerdings mit der Maßgabe, dass jede Parzelle so groß sein müsse, dass sich der Besitzer darauf ernähren konnte.
Das Gutsgebäude blieb vorerst in Familienbesitz, dazu verständlicherweise auch entsprechender Grund und Boden. Der Gewinn, es fungierte ein Pächter, sollte durch Viehhaltung und Brauen erworben werden.
Es wird berichtet, dass manche „Einwohner von Untersachsenberg noch immer (1837) Unterthanen des Guths sind, und müssen in dasselbe teils Erbzins zahlen, teils haftet noch auf vielen Häusern die Verbindlichkeit, demselben Frohdienst zu leisten“.
Bei der Volkszählung am 3. Dezember 1861 wird das Gutsgebäude noch als „Schloss“ bezeichnet. Wann es endgültig verkauft worden ist, lässt sich nicht mehr ausmachen.
1896 ist ein gewisser Wenzel Hüller Besitzer desselben, Pächter ist Reinhard Schunk, der in dem Gebäude eine Gastwirtschaft betreibt. Der Name „Waldgut“ hat sich bist heute erhalten. Man tut gut daran, solche Bezeichnungen beizubehalten, um unsere Nachkommen auf Historische Gebäude, an welchen unser Gebiet sehr arm ist, aufmerksam zu machen.

Manfred Gäbler

*) Die Bezeichnung Waldgut rührt daher, dass die Wälder den überwiegenden Teil des Gutsbesitzes ausmachten. Die Gutsbesitzer übten als Lehensträger die niedere Gerichtsbarkeit aus, forderten von den Gutsuntertanen Dienste und Abgaben, die in Lehensbriefen festgelegt waren, und  hatten als „Collatoren“ das Recht, über die Besetzung der Pfarr- und Lehrstellen mitzubestimmen.

Kulturbote 1 (1995)
 

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Klingenthal Magazin
ISSN 1437-336X
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